Buchrezension: German Representations of the Far North (17th–19th Centuries): Writing the Arctic
Borm, J. and Kodzik, J. (Eds.): German Representations of the Far North (17th–19th Centuries): Writing the Arctic, Cambridge Scholars Publishing, Newcastle-upon-Tyne, 276 pp., ISBN (10) 1-5275-6022-8, ISBN (13) 978-1-5275-6022-2, Hardcover EUR 64.99, 2020.
Die beiden Herausgeber Jan Borm, Professor für britische Literatur an
der französischen Universität von Versailles
Saint-Quentin-en-Yvelines/Universität Paris-Saclay, und die
Postdoc-Forschungsstipendiatin Joanna Kodzik an derselben Universität
haben in ihrem Buch elf Beiträge zur deutschen Repräsentation des
Hohen Nordens vom 17. bis zum 19. Jahrhundert herausgegeben, die
authentische historische Eindrücke aus der Arktis behandeln. Nach einer
Einordnung der jeweiligen Beiträge durch die beiden Herausgeber
beschäftigen sich vier Kapitel mit Ansichten über Grönland, zwei
über Nordamerika, zwei über Lappland und drei über Russland.
Unter den Autoren, deren Werke hier besprochen werden, befinden sich der
Schriftsteller Erasmus Francisci (1627–1694), der Hamburger Schiffsbarbier
Friderich Martens (17. Jh.), mehrere Herrnhuter Missionare (David Cranz
(1723–1777), Samuel Kleinschmidt (1814–1886) und Johann Miertsching
(1817–1875)), der Naturforscher Georg Wilhelm Steller (1709–1746), mehrere
deutsche und deutsch-baltische Reisende in den Nordpazifk und nach Sibirien,
der Geologe Karl Friedrich Giesecke (1761–1833), der Anthropologe Antal
Reguly (1817–1858) und der Geograph Gerhard von Maydell (1835–1894). Der
98-jährige Ethnologe und Arktisforscher Jean Malaurie hat ein Vorwort
verfasst, in dem er die Bedeutung des Buchs für die englische
Leserschaft hervorhebt, denen wegen der Sprachbarriere die deutschen
Berichte sonst nicht zugänglich wären. Davon abgesehen sind die
Analysen der Berichte unter religiösen, kulturellen, sozialen,
wirtschaftlichen und politischen Aspekten auch für den deutschsprachigen
Leser von großem Nutzen, da hier erstmals in der Zusammenschau die
Beschreibung des Hohen Nordens durch deutschsprachige Reisende im jeweiligen
historischen Kontext behandelt werden. Zu den herangezogenen Quellen
gehören Reiseberichte, Studien zur Naturgeschichte und wissenschaftliche
Texte, die auf Beobachtungen aus erster Hand beruhen, aber auch
belletristische Werke wie die Beziehung der Dr. Faustusgeschichte zur
Zauberei der Sami in Lappland.
Leider findet der Geograph Erich von Drygalski (1865–1949) keine Erwähnung, der 1891 erst eine Vorexpedition an die Westküste Grönlands zur Suche nach einem geeigneten Überwinterungsort unternommen hatte, der 1892–1893 die Überwinterung mit zwei Begleitern auf einer Station am großen Karajakgletscher folgte. In seinen Reiseberichten, die meist in der Zeitschrift oder den Verhandlungen der Gesellschaft für Erdkunde in Berlin publiziert und in Lüdecke (2015) gesammelt herausgegeben wurden, finden sich auch ausführliche Beschreibungen der Grönländer, ihrer Siedlungen und ihrer Lebensweise, die in dieses Buch quasi als modernes Beispiel hätten einfließen können.
In den einzelnen Kapiteln wird unter anderem die Begründung der Walforschung, ein erster Vergleich Grönlands mit den Alpen, oder auch das Volk der Grönländer im Allgemeinen dargestellt, sowie deren Beschreibung eines zu fortschrittlichen Priesters. Ein anderes interessantes Kapitel handelt davon, wie aus quasi jugendlicher Eigeninitiative das neue Forschungsgebiet der Samistudien entstand. Des Weiteren ist die Lebensgeschichte von Georg Wilhelm Steller hervorzuheben, sowie die geographischen Studien im Nordosten Sibiriens, zu der eine Landkarte als Ergänzung sehr nützlich gewesen wäre. Bedeutsam ist auch die Darstellung des mangelnden Willens, auf internationaler Ebene Informationen über die Arktis, die in Archiven und Museumssammlungen weltweit verteilt sind, zusammenzuführen und für weitere Studien allgemein zugänglich zu machen. Im letzten Kapitel, das die Österreichisch-ungarische Expedition (1872–1874) fokussiert, ist die Bildnummer 1 zweimal vergeben, wodurch die Bildverweise im Text nicht mehr stimmen.
Mit diesem Buch wird ein wichtiger Beitrag zu den historischen zirkumpolaren Arktisstudien geleistet und kann somit jedem empfohlen werden, der sich für dieses Thema interessiert oder sich damit beschäftigen möchte.