Buchrezension: Antarctic Pioneer: The Trailblazing Life of Jackie Ronne
Kafarowski, J.: Antarctic Pioneer: The Trailblazing Life of Jackie Ronne, Dundrun Press, Canada, 304 ff., ISBN-13 9781459749535, EUR 31,20, 2022.
I think the presence of women would wreck the illusion of the frontiersman – the illusion of being a hero… Women will not be allowed in the Antarctic until we can provide one woman for every man. – Rear Admiral George Dufek, 1957.
Zitate wie diese bilden den Einstieg und illustrieren die Stimmung mit der Frauen konfrontiert waren zu dieser Zeit. Zehn Jahre zuvor (1946–1947) überwinterte Edith „Jackie“ Ronne mit ihrem Ehemann Finn Ronne, und einer zweiten Frau, Jenny Darlington, auf Stonington Island auf der Antarktischen Halbinsel. Beide Frauen waren die ersten weiblichen Überwinterer in der Antarktis. Jackie, wie sie von ihren Freunden genannt wurde, leistete viel Arbeit im Hintergrund vor und während der Expedition aber auch im Bereich der Wissenschaft, wenn auch dieser Aspekt nicht allgemein bekannt ist.
Die Biographie ist in drei Teilen verfasst, die in einzelne Kapitel unterteilt sind.
Der erste Teil befasst sich mit dem Werdegang Jackies von frühester Jugend an bis zu ihren ersten Kontakten mit der Antarktis. Ihre turbulente Kindheit wurde dank ihrer Tante Merril Gardner, geborene Maslin, und ihres Onkels Irvine Gardner, stabilisiert und eröffnete ihr Bildungswege und Erziehung, die ihr später wertvolle Kontakte ermöglichte. Ihre Tante war Physikerin und reiste viel mit ihrem Mann, wo sie gemeinsam in entlegenen Ländern arbeiteten. Das gab Jackie einen Einblick in ein „unkonventionelles“ Leben, das sie später auch mit ihrem zukünftigen Mann erleben sollte. Sie war aber auch fest in den Traditionen verhaftet, die in den vierziger und fünfziger Jahren von einer Frau verlangt wurden.
Jackie machte 1942 bei einem Blind Date die Bekanntschaft mit dem charismatischen Antarktisforscher Finn Ronne. Das waren die Anfänge die ihr weiteres Leben bestimmen sollten. Jackie arbeitete damals in der Civil Service Commission und wurde danach in das Department of State übernommen. Während dieser Zeit bekam sie Einblick in politische Angelegenheiten und Vorgänge, die ihr speziell nach ihrer Zeit in der Antarktis weiterhelfen sollten. Die Autorin, Joanna Kafarowski, schafft es in diesen Kapiteln einen guten Kontext aufzubereiten der unablässig ist, um die Handlungsweisen Jackies ins richtige Licht zu setzen.
Die Ronne Antarctic Research Expedition (RARE) dominiert den zweiten Teil der Biographie. Finn Ronne stellte 1946 trotz großer Widerstände eine antarktische Expedition auf die Beine. Die Expedition war auf wissenschaftliche Arbeit konzentriert und musste ohne staatliche Finanzierung zurechtkommen. Jackie, inzwischen Finns Ehefrau, ging ihrer bezahlten Arbeit nach und war in ihrer Freizeit stark in die Vorbereitungsarbeiten involviert. Ihre literarische Begabung und ihre Kontakte waren sehr hilfreich um die Expeditionsvorbereitungen voranzutreiben. In den verschiedenen Kapiteln dieses Teils werden in kurzer aber sehr informativer Art und Weise die Umstände der Expedition behandelt. Im Verlauf der Vorbereitungen wird Finn immer deutlicher bewusst, dass er es ohne Jackie nicht schaffen kann die Expedition weiterzutreiben und entscheidet sehr vehement, dass ihn seine Frau in die Antarktis begleiten muss. Damit sie nicht alleine ist, wird auch noch Jenny Darlington angewiesen mitzukommen, trotz Widerstand ihres eigenen Ehemannes der noch dazu der Chefpiloten der Expedition war. Die Spannung zwischen den beiden Männern war schon spürbar bevor die Expedition ins Eis ging; aber von dem Moment an, steigerte sie sich ins Unermessliche. Die beiden Frauen konnten sich wegen der angespannten Lage nicht beistehen ohne die Autorität ihrer verfeindeten Ehemänner in Frage zu stellen. Die Position der beiden Frauen konnte nicht unterschiedlicher sein. Jackie konnte jedoch einen wesentlich aktiveren Teil für sich wahren. Sie schrieb Artikel für die Zeitungen und Zeitschriften, welche die Expedition finanzierten. Jackie arbeitet auch an den wissenschaftlichen Berichten und führte auch regelmäßige Terminbeobachtungen durch. Neben diesen Arbeiten verrichtete sie den „Haushalt“ und bereitete eine Art gemütliches Heim. Sie konnte jedoch von ihrem Mann nicht bevorzugt behandelt werden und fügte sich in ihre Position.
Diese privat finanzierte antarktische Expedition war eine der letzten ihrer Art. Internationale Zusammenarbeit und nationale Antarktisprogramme begannen wenige Jahre später. In der Zwischenzeit half Jackie ihrem Mann, seine Bücher zu verfassen und Öffentlichkeitsarbeit wahrzunehmen. Während dieser Zeit schrieb sie sich jedoch aus der Expeditionsgeschichte heraus. Der Fokus war auf ihren Mann gerichtet und langsam verschwand Jackie aus der öffentlichen Wahrnehmung als hart arbeitende Expeditionsteilnehmerin. Sie integrierte sich immer mehr in die Rolle, die von ihr als Frau eines erfolgreichen Mannes erwartet wurde, und diese war sehr ans Haus gebunden. Vor allem nach der Geburt ihre Tochter Karen ist sie nur noch ab und zu als Begleiterin in den Medien oder auf Veranstaltungen zu sehen. Im Hintergrund jedoch arbeitete sie für ihren Mann, lud zu Abendessen ein, veranstaltete Partys, knüpfte Kontakte und hielt Finn im Mittelpunkt des Geschehens. Ihr gesellschaftlicher Umgang mit einflussreichen Frauen und Männern brachte ihr Respekt ein. Sie wird als Antarktisexpertin von Entscheidungsträgern konsultiert und bewarb sogar sehr eindringlich die Bedeutung des Antarktisvertrags. Trotz all ihrer Erfahrungen bewarb sie in dieser Zeit jedoch nie die Rolle der Frauen, um als Wissenschaftlerinnen in der Antarktis zu arbeiten.
In den späten 1950iger Jahren entwickelte sich langsam der Antarktistourismus. Jackie und Finn wurden als Ehrengäste auf das argentinische Schiff M/V Yaperyú eingeladen. Das bildete den Anfang von Jackies zukünftiger Karriere. Im Verlauf der Zeit kommt es jedoch zu Spannungen in ihrer Ehe. Finn ist viel auf Vortragsreisen unterwegs und wenn er daheim ist, nahm er sie kaum noch als seine Partnerin wahr. Es scheint für ihn alles zu funktionieren und er war sehr dem Männerbild seiner Zeit verhaftet. Jackies Liebe zu Finn bewahrt ihre Ehe bis zum Ende.
Der dritte Teil befasst sich mit Jackies Leben als Witwe. Finn starb 1980 unerwartet und Jackie musste sich neu orientieren. Die Rolle, die sie so lange Zeit innehatte, veränderte sich sehr rasch. Ihr entgingen nicht die gesellschaftlichen Veränderungen die in den 1980iger Jahren deutlicher sichtbar werden. Sie besann sich ihrer Rolle, die sie während der RARE-Expedition inne hatte, und transportierte sich nun wieder zurück in die Geschichte. Es scheint, dass sie nach Finns Tod langsam aus ihrem Hintergrunddasein ausbricht. Sie gibt in den 1980iger und 1990iger Jahren immer wieder Vorträge auf Touristenschiffen in die Antarktis. Wenn Journalisten sie interviewten, gab sie gerne Auskunft über ihre Erlebnisse und rückte ihre besondere Stellung ins richtige Licht. Jackie ist aktiv eingebunden in die Society of Women Geographers und dem Washingtoner Zweig des Explorer Cubs und strich die Rolle der Frau in der Antarktis und in der Wissenschaft verstärkt heraus.
Das Buch gibt einen guten Einblick in die Veränderungen über die Jahrzehnte anhand einer einzelnen Person, Jackie, und bildet damit eine Bereicherung für die Geschichte der Frauen in der Antarktis. Das Besondere an dieser Biographie ist, dass Jackie nicht als Opfer der Männerwelt dargestellt wird, sondern vielmehr aufzeigt, wie sie sich den äußeren, vor allem gesellschaftlichen Gegebenheiten angepasst hat und erst später langsam davon ausbricht. Ihr Leben hätte anders verlaufen können, wenn man ihre frühe Kindheit betrachtet. Doch viele Veränderungen in ihrem Leben sind einfach passiert und sind mehr auf Umstände zurückzuführen als auf bewusste Entscheidungen ihrerseits. Nach und nach wird sie sich ihrer Rolle und ihres Einflusses bewusst und handelt aktiver.
Der Anhang, bestehend aus einer Zeitliste zur Geschichte der Frauen in der Antarktis, eine Antarktiskarte und die ausführlichen Angaben zum Text zeigen die intensive Auseinandersetzung und Forschung die in dieser Biographie stecken. Das reiche Bildmaterial innerhalb des Textes ist gut platziert um auch bildlich Jackies Werdegang darzustellen. Trotz der intensiven Forschung ist das Buch nicht überladen mit belanglosen Einzelheiten und behält so einen guten Lesefluss. Wer sich weiter in das Thema einarbeiten will, kann dazu das reichhaltige Quellen- und Literaturverzeichnis heranziehen.
Die Biographie ist derzeit nur in englischer Sprache erhältlich doch ist es zu wünschen, dass sie eine zahlreiche Leserschaft findet. Die Geschichte der Frauen in der Antarktis ist relativ kurz. Einige Frauen jedoch hatten einen Einfluss auf Veränderungen, ob durch Zufall oder hartnäckigem Handeln, und eine dieser Personen war Edith „Jackie“ Ronne.