Gletscher gibt es in Deutschland nur in dem sehr kleinen Alpenanteil und dort nur an wenigen, für die Eismassen günstigen Stellen. Diese Gletscher sind vermutlich keine Relikte der letzten Eiszeit, sondern Reste der kühleren Phasen der letzten Jahrhunderte. Trotzdem ging von diesen verbliebenen Eisreserven seit dem Beginn der touristischen Erschließung der Alpen eine große Faszination aus, da sie teilweise vom Tal aus zu sehen, oder verhältnismäßig leicht zu erreichen waren. Selbst heute noch kann man auf dem nördlichen Schneeferner den einzigen Gletscherskilift in Deutschland erleben, wenngleich auch dort die Gletscherflächen erheblich zurückgegangen sind. Die frühe Aufmerksamkeit führte auch dazu, dass es viele historische Dokumente über diese Gletscher gibt und so zumindest ihre Veränderung seit dem Ende der kleinen Eiszeit gut dokumentiert ist. Heute sind fast alle der bayerischen Gletscher am Rande ihrer Existenz und es ist nur eine Frage der Zeit, bis der deutsche Alpenraum eisfrei wird. Wir versuchen mit diesem Beitrag die Entwicklung der Gletscher seit den ersten Untersuchungen zu dokumentieren.
Die bayerischen Gletscher hatten 2018 eine Gesamtfläche von 44,6 ha und
ein Volumen von 3,95 Mio. m
Die bayerischen Gletscher:
Derzeit gibt es in den bayerischen Alpen noch fünf Gletscher an der
Zugspitze und in den Berchtesgadener Alpen. Dabei wird hier nicht explizit
auf die Gletscherdefinition als mehrjähriges Eisvorkommen mit Anzeichen
von Eisdeformation zurückgegriffen, da einige dieser Eiskörper sich
schon in der Transformation zu Gletscherresten befinden. Die fünf
Gletscher sind:
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Ausschnitt des Kartenblattes „Zugspitze“ von Finsterwalder und Jäger aus dem Jahr 1892 (Archiv, Erdmessung und Glaziologie, BAdW München).
Entwicklung von Eisvolumen
Von den bayerischen Gletschern ist vermutlich der „Plattacher Ferner“ als erstes kartographisch dokumentiert worden. Auf einem Kartenblatt des Atlas Tyroliensis von 1774 ist auf dem Zugspitzplatt ein Gletscher mit diesem Namen verzeichnet. Damals war die gesamte Hochfläche mit Gletschereis bedeckt, welches sich über eine Fläche von etwa 300 ha erstreckte (Finsterwalder, 1951). Von diesem damals größten Gletscher Bayerns sind heute nur noch die beiden Schneeferner übriggeblieben. Die maximale Ausdehnung erreichten die bayerischen Gletscher in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Eine topographische Karte wurde 1892 kurz vor der Aufspaltung des Gletschers von Sebastian Finsterwalder erstellt (Abb. 2, Finsterwalder, 1896). Die ersten geometrisch korrekten Karten in den Berchtesgadener Alpen entstanden in den Jahren 1889 für das Blaueis und 1897 für den Watzmanngletscher (Hagg, 2006). Die damals bestimmten Flächen der Gletscher wurden mit 21 ha für den Watzmanngletscher, 20 ha für das Blaueis, 48 ha für den Höllentalferner und 160 ha für den noch zusammenhängenden Schneeferner angegeben.
Ab 1949 begann die systematische und regelmäßige Vermessung aller
bayerischen Gletscher, die inzwischen mindestens im 10-Jahresabstand durch
die Bayerische Akademie der Wissenschaften in München durchgeführt
wird (Escher-Vetter und Rentsch, 1995;
Die Rekonstruktion der maximalen Gletscherausdehnung in Süddeutschland
basiert auf der Kartierung von Endmoränen, z.B. für die
späteiszeitliche Ausdehnung bei Burghausen, Memmingen, Kaufbeuren oder
in der Nähe des Chiemsees. An den bayerischen Gletschern sind im Gegensatz dazu nur vereinzelt Moränen der Maximalausdehnung zum Ende der kleinen Eiszeit um 1850 zu finden (Hirtlreiter, 1992). Damals bedeckten die
Gletscher noch eine Fläche von etwas mehr als 4 km
Die mittleren Höhenänderungen des Nördlichen Schneeferners in Millimetern pro Jahr seit Anfang des 20. Jahrhunderts (rot: Höhenabnahme, blau: Höhenzunahme).
Eisdickenabnahme des Nördlichen Schneeferners zwischen den Aufnahmezeitpunkten 2009 und 2018. Durch blaue Flächen sind Bereiche mit einer Abnahme der Eisdicke gekennzeichnet. Die Gletschergrenzen sind jeweils für beide Zeitpunkte eingetragen (Hintergrund: Orthofoto 2018).
Qualitativ sind die längerfristigen Trends der Flächenveränderungen und insbesondere ihre Summenkurve mit der Abweichung der Lufttemperatur vom langjährigen Mittelwert korreliert. Dies zeigt, dass die Lufttemperatur ein recht guter Indikator für den Klimaeinfluss auf die Gletscher ist (Hagg et al., 2012). Die einzelnen Gletscher weichen dagegen durchaus in ihrem Verhalten ab, was auf lokale Besonderheiten hindeutet. So ist die Flächenzunahme der kleinen Gletscher (SSF, BEI und WMG) bis 1980 sehr viel markanter als bei den größeren Gletschern (NSF und HTF), wo sie erst deutlich verzögert und über einen längeren Zeitraum sichtbar wird. An der Zugspitze zeigt sich in der letzten Dekade eine kontinuierliche Flächenabnahme. Die Gletscher in Berchtesgaden sind dagegen relativ stabil. Im Fall des Blaueises liegt das an der Schuttbedeckung des unteren Teils des Gletschers, welche die Eisschmelze reduziert. Beim Watzmanngletscher lässt seine wannenförmige Einbettung keine großen Flächenänderungen zu. Beide Gletscher erhalten zudem im Gegensatz zu den exponiert gelegenen Gletschern auf dem Zugspitzplatt weniger direkte Sonnenstrahlung.
Die Änderung des Gletschervolumens (Abb. 3a) hat mehr Aussagekraft als die reinen Flächenänderungen (Abb. 3b), da sie in direktem Bezug zur Oberflächenmassenbilanz der Gletscher steht. Die Daten basieren auf den regelmäßigen Oberflächenkartierungen und der Rekonstruktion des Gletscheruntergrunds aus den Bodenradardaten. Allerdings sind diese Messungen auch aufwändiger als die reine Flächenbestimmung, da die Höhenänderungen vor allem an den kleinen Gletschern nur lokal (terrestrisch oder durch Befliegung) bestimmt werden können.
Die durch die Gletscherfläche dividierte Volumenänderung entspricht der mittleren Höhenänderung über dem Gletscher und ist, umgerechnet auf die Dichte von Wasser, damit analog der spezifischen Massenbilanz. In Abb. 4 ist die mittlere Höhenänderung pro Jahr für die einzelnen Vermessungsperioden des Nördlichen Schneeferners exemplarisch dargestellt. Seit 1980 verstärkt sich der Massenverlust mit Ausnahme des südlichen Schneeferners und Blaueises an allen Gletschern.
Die flächenhaften Verluste der Eisdicke zeigen nur am Höllentalferner noch ein typisches Muster mit einem ausgeprägten Maximum im unteren Bereich der Gletscherzunge, während an den anderen Gletschern die starken Schmelzraten weitgehend alle Höhenbereiche erfasst haben. Der nördliche Schneeferner (Abb. 5) hat dagegen seine Zunge vollständig verloren und die Eisdickenabnahme entspricht dort der vorher noch vorhandenen Eisdicke. Bereiche mit einem scheinbaren Anwachsen der Eisdicke am Nördlichen Schneeferner sind auf Maßnahmen der Zugspitzbahnen zurückzuführen, welche im südlichen Bereich eine Zugangsrampe zum Gletscher geschaffen und den untersten Zungenbereich zugeschüttet haben (siehe auch Abb. 1b). Die vermeintlichen punktuellen Höhenverluste entlang der Lifttrassen sind dagegen Artefakte. Allerdings deuten die durchgehend geringeren Verluste entlang der südlichen Lifttrasse darufhin, dass hier die Instandhaltung des Skilifts zu einem verminderten Absinken des Gletschers führt.
Simulation der Flächen- und Eisdickenverteilung des Nördlichen Schneeferners mit dem Gletschermodell SURGES und der Klimasimulation REMO von 2006 bis 2030 (nach Marowsky, 2010). Rot eingetragen sind die Umrisse der Messungen 2018.
Die Grundlage für alle Schätzungen der zukünftigen Entwicklung der bayerischen Gletscher bildet die räumliche Verteilung der verbliebenen Eisdicken. Unsere Analysen zeigen, dass die maximale Eisdicke 2018 am Nördlichen Schneeferner und am Höllentalferner noch 33 m betrug, während sie am Blaueis nur noch 17 m und am Watzmanngletscher und dem Südlichen Schneeferner jeweils noch 10 m war. Unter Berücksichtigung der erwähnten Eisdickenänderungen zwischen 20 m in neun Jahren und 30 m in den 30 Jahren davor und einem Trend zur weiteren Zunahme der Schmelzraten ergibt bereits eine einfache Abschätzung, dass unter den derzeitigen Bedingungen wohl auch die größeren der Bayerischen Gletscher die nächste Dekade kaum überstehen werden. Die Reste der kleineren Gletscher könnten theoretisch gar binnen weniger Jahre verschwunden sein.
Eine komplexere Modellierung existiert für die Zugspitzgletscher (Marowsky, 2010) für den Zeitraum 2006 bis 2030 auf der Basis eines gekoppelten Massenbilanz- und Eisumverteilungsmodells. Als Ausgangsbedingung dienten die Gelände- und Eisdickenmodelle des Jahres 2006. Untersucht wurde die Gletscherentwicklung für drei unterschiedliche Szenarien aus dem GLOWA-Danube Projekt (Mauser und Prasch, 2016): eine Zeitreihe des regionalen Klimamodells REMO des Max-Planck-Instituts für Meteorologie in Hamburg, ein auf der Basis der IPPC Szenarien von 2007 generierter Datensatz und eine einfache Fortschreibung des bisher gemessenen Klimatrends.
Die Ergebnisse mit dem REMO-Datensatz als Randbedingung zeigen unter anderem einen weitgehenden Verlust des nördlichen Schneeferners bis 2030 (Abb. 6).
Die Ergebnisse der Studie von 2010 überdecken 13 Jahre bis heute und weitere zehn Jahre in die Zukunft. Die Eisdickenverteilung, sowie auch die Eisbedeckung, der letzten Vermessung von 2018 für den Nördlichen Schneeferner stimmen sehr gut mit den Modellergebnissen überein. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass zumindest auf dem Zugspitzplatt bis 2030 nur noch wenige Eisreste überleben werden. Entgegen der früheren Entwicklung zeigte auch der Höllentalferner während der letzten Dekade sehr deutliche Massenverluste. Er dürfte zwar den nördlichen Schneeferner um ein paar Jahre überdauern, sein Erscheinungsbild wird sich aber in den nächsten 10 Jahren erheblich wandeln. Damit ist zu erwarten, dass die letzten Eisreserven in den deutschen Alpen in den kommenden Jahrzehnten bis auf wenige Reste verschwinden werden.
Alle Daten sind auf
CM entwickelte das Konzept der Studie. Die Analyse der geodätischen Daten wurde von CM und WH durchgeführt. Die Auswertung der Klimadaten und Modellstudien erfolgte durch MW. AW initiierte den Artikel und entwarf den Aufbau. Alle Autoren beteiligten sich am Schreiben des Manuskripts.
Die Autor*innen erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Diese Arbeit wurde unterstützt durch das Projekt „Alpengletscher im Klimawandel“, finanziert durch das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz. Unser Dank gilt dem Editor, dessen Kommentare zur Verbesserung und Klarheit des Artikels beitrugen. Für die Unterstützung bei den Feldarbeiten danken wir allen beteiligten Kolleg*innen, insbesondere Astrid Lambrecht.
This paper was edited by Donovan Dennis.